Pastor Norbert Derrix zur aktuellen Situation in unserer Pfarrgemeinde

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Einwohner:innen unserer Dörfer,

 

vielleicht spüren Sie es auch, es ist etwas im Gange, etwas, das früher nicht so zu spüren war, etwas, das ausgelöst durch Skandale in der Kirche, Pandemie und Krieg gepuscht wurde und nun langsam zum Tragen kommt: Das Leben auch und gerade in unseren Dörfern und unserer Kirche verändert sich: Das Ehrenamt leidet, Vereine verkleinern sich, ja sterben, Interesse an persönlichem, sozialen Engagement schwindet – kurz: worauf man sich früher verlassen konnte, ist heute durch die äußeren Einflüsse der vergangenen Jahre sehr in Frage gestellt.

 

Am meisten spüre ich das in meinem Umfeld, sprich Kirche. Auch in unserer Gemeinde haben sich im vergangenen Jahr ca. 100 Menschen abgemeldet. Bei einer Gemeindemitgliederzahl von 4500 ist das schon spürbar. Aber auch innerhalb der Dienste (Messdiener z.B.) haben wir einen Schwund zu verzeichnen, den wir dank engagierter Leiterinnen gerade wieder auffangen wollen.

 

Aber auch – und  das ist für mich das Gravierendste – das Interesse an Glaubensauseinandersetzung, an der Frage, was der Glaube innerhalb meines Lebens bewirkt, oder wie er mich stark machen will, an dem, wie die Gemeinschaft der Glaubenden vor Ort das für sie Wichtige vermitteln kann, ist verblasst. Bitte!! Ich will niemandem einen Vorwurf machen, oder an den Pranger stellen: Was hier hervorscheint ist, das, was in den letzten zehn Jahren immer mehr wurde und durch die oben erwähnten Einflüsse nur vorangetrieben, so dass es nicht erst in zehn Jahren, sondern jetzt schon auffällt.

 

Es bleibt Äußerlichkeit: St. Martin bleibt ein Mantelteiler – Ende; das Christkind bringt Geschenke – mehr nicht; Ostern gibt´s den „heiligen Osterhasen“ (Zitat aus der Grundschule) – Erlösung bleibt numinos.

 

Ich als Pastor habe das gespürt, aber nicht ernstgenommen. Wir als Kirche wollten  das nicht wahrnehmen, weil wir ja einen vermeintlich guten Stand hatten – und diese Schuld rächt sich nun ODER: Das Erkennen dieser Schuld muss eine Bekehrung vorantreiben. Ich möchte das Zweite für unsere Gemeinde in Anspruch nehmen: Meine Bekehrung, meine Abkehr von Selbstverständlichkeiten, die nicht mehr da sind, meine Zuwendung zu dem, was mir wirklich wertvoll ist: Die Menschen mit ihren Fragen, Sorgen, Freuden zu sehen, ihre Anliegen in Worte, ja ins Gebet zu nehmen, und mitzugehen auf den Weg eines unser Leben mit-tragenden Glaubens.

 

Dabei – das gestehe ich – bin ich mittendrin auf der Suche: Gottesdienste für Kleinkinder UND ihre Eltern, Gesprächskreise rund um den Glauben, Erziehung, Persönlichkeitsstärkung, Themen der (jungen) Familien erforschen. Das alles in dem, dass niemand abgeschreckt wird, der immer  schon dabei war – ein Drahtseilakt, der von allen Beteiligten Respekt und auch Toleranz fordert.

 

Um Beispiele zu nennen:

  • Die Stühle in der St. Nikolaus-Kirche werden erstmal nicht verschwinden, damit wir dort auch in der Nutzung der Kirche flexibel bleiben können für andere Gottesdienstformen. Das geht gut, da wir noch zwei andere Kirchen haben, die Kirche „wie immer schon“ mit Bänken bleiben können.
  • Gottesdienstzeiten werden sich verändern, erst recht wenn P. Secil im Sommer nach Indien zurückgeht, und wir bestimmt niemand Neues bekommen: warum nicht die Feier der Hl. Messe auf Sonntagnachmittag/-abend legen, um so den Tag und die Woche ausklingen zu lassen.
  • Die Erstkommunion und die Vorbereitung muss darauf auf das Wesentliche beschränkt werden, um nicht mehr nur die Äußerlichkeit der Feier als Wichtigstes im Blick zu haben: Vielleicht müssen die Eltern zuersteinmal geschult werden, damit sie selbst sich erst einmal mit der Thematik auseinandergesetzt haben, die sie ihren Kinder weitergeben wollen.

 

Und das ganze vor dem Hintergrund:  Nach mir wird es keinen Pfarrer mehr vor Ort geben!  Wir sehen das gerade in der Nachbarschaft: In St. Quirinus Neukirchen-Vluyn gibt es und wird es keinen Pfarrer mehr. Ein Pfarrverwalter aus Kamp-Lintfort, ein indischer Priester und eine Pastoralreferentin werden versuchen, „den Laden am Laufen zu halten“ in dem Bewusstsein: Wenn die noch vorhandene Gemeinde sich nicht selbst trägt, wird hier bald lebendiges Gemeindeleben verebben.

 

Hier ging alles sehr schnell und unvorbereitet: WIR haben die Möglichkeit, dass selbst in die Hand zu nehmen und ich bin den Menschen sehr dankbar, die Gott uns allen zur Seite gestellt hat, die das ebenso weiter mitmachen wollen. Ich will die einzelnen Dienste und Menschen nicht aufzählen, da ich mir bewusst bin, was passiert wenn ich jemanden vergesse. Mit vielen dieser  Menschen bin ich im Gespräch, und wir wissen alle, dass wir mit Hilfe von „Oben“ neue Akzente setzen können. Aber wir brauchen auch die Hilfe von Menschen, die mithelfen, diese neue Akzente mitzuprägen und  mit ihren Ideen selbst neue Wege aufzuweisen. Und hier frage ich Sie, die Sie diesen Artikel nun lesen: Können Sie sich vorstelle, sich hier mit Ihren Ideen einzubringen und seien sie noch so verrückt?

 

Wie stehen am Anfang damit, aber ich spüre, in diesem Jahr wird sich nicht alles zum Negativen verändern, Gott, der Gute, spielt mit und wird uns helfen, das Gute zu bewerkstelligen.

 

Liebe Grüße

Norbert Derrix